Mittwoch, 28. September 2011

an alle leipziger leser:

geht hin, lasst was im spendenkorb und grüßt sabine von mir. :)

http://www.littleprinz.org/lang/de/news-2/

Dienstag, 20. September 2011

Termiten essen (und andere Vorkommnisse)


Liebe Leser,
Es ist schon wieder eine Weile her, seit ich mich gemeldet habe, und seitdem ist viel und wenig passiert. Wenig, weil wir meistens auf diversen Feldern unterwegs sind, umgrabend, pflanzend. Viel, weil all die kleinen Dinge, die täglich passieren, ein Buch füllen könnten.

In Kenia haben die Lehrer gestreikt, und der Streik scheint sich afrikaweit fortzupflanzen (zumindest habe ich gehört, dass auch in Uganda an der Uni die Professoren ihren Dienst niedergelegt haben). Da Paul Schüler, Ann Lehrerin und Charles für die Schulfinanzen zuständig ist, hatten die drei quasi verlängerte Ferien. Um so größer ist der Unterschied nun, da sie seit fast zwei Wochen erst abends heimkommen (und Paul vermutlich bis nach meiner Abreise in der boarding school bleibt) und uns vormittags auf dem leeren compound zurücklassen. Manchmal bin ich die Einzige, die zu Hause ist. Aber Dolly ist ja da. Sie hat jetzt ein kleines Haus und eine Kette, außerdem ist sie geimpft und entwurmt und zahnt fröhlich vor sich hin. Sie frisst eigentlich alles, inklusive Muschelschalen, die die Hühner aus dem übriggebliebenen Haufen Sand vor unserem Haus kratzen, und Zuckerrohr, das wir schon gekaut und ausgelutscht haben. Wir haben ihr nun vorgeschlagen, dass es vielleicht gesünder sei, sich an Knochen und Omena (Fingerlinge) zu halten, und sie scheint unser Angebot anzunehmen.

Wir haben oft Besuch. Gleich eine Woche, nachdem wir dort waren, kamen Joe und Simon aus Shinyalu. Sie werden die nächsten Tage komplett aus den ehemaligen Takatifu Gardens ausziehen, haben das restliche angefallene Gerümpel versteigert (und uns ein paar Pinsel vermacht, mit denen wir die Dusche gestrichen haben) und ziehen nach Nairobi. Vorher haben sie nochmal bei uns vorbeigeschaut und uns einen Tag auf einem Feld geholfen, dessen Erde furchtbar anstrengend umzugraben war.
Außerdem kamen neulich „fadhe Dennis“, mit dem wir im work camp gearbeitet haben, und Lucys ehemalige Arbeitskollegin vorbei, die mir eine Tüte Erdnüsse geschenkt hat. Ich habe sie schon gepellt, Lucy wird mir demnächst zeigen, wie man eine Art Eintopf daraus kocht („You are in a college!“). Gerade trocknen übrigens ein paar Sesamsamen vor ihrem Haus, die ich gewaschen habe. Eine weitere Unterrichtseinheit lautet nämlich: Wie man Sesambälle (simsim) macht. Ich muss also später nochmal in die „Schule“ aka Küche. Ich weiß jetzt auch, wie man die Fasern aus Kürbisblättern zieht, damit man sie wie eine Art Spinat kochen kann (sewewe) und wie man Termiten zubereitet. Die kriegen nur einmal im Jahr Flügel, kommen an die Erdoberfläche und versuchen, möglichst unbeschadet davon zu kommen. Da kommen flitzende Schwalben natürlich sehr ungelegen, und Menschen auch, die die kleinen schwarzen Insekten mit Flügeln, doppelt so lang wie ihr Körper, entweder sammeln und dann mit etwas Salz braten, oder aber gleich vom Fleck weg essen. Lebendig waren mir die kleinen Krabbelviecher zu --- lebendig! Aber gebraten (und mehr oder weniger unkenntlich zusammengeschrumpelt) schmecken sie wie salziges, bröseliges Rührei. Besser als Omena auf jeden Fall!
Eine weitere Besucherin war Lucys und Anns co-wife, die auch Lucy heißt. Sie hat ein Geschäft in Kisumu und ist deswegen selten zu Hause. Sie kam für ein paar Tage und wir halfen ihr auf ihrem Feld, wo wir Bohnen und Mais pflanzten. Abends saßen wir zu dritt in der Küche (Frauendomäne), wo man, während es schon dunkel ist, das Abendessen für die Männer zubereitet, den Frühstückstee kocht und dann selbst isst, während das verglühende Feuerholz gemütlich vor sich hin knackt.

Ein paar landwirtschaftliche Experimente nehmen rund um unser Haus langsam Form an. Wir haben zwei chokoes aus Shinyalu gepflanzt, die, wenn sie mal richtig wachsen (und allzu lange kann das bei diesen irren Pflanzen nicht mehr dauern), eine kleine Begrenzung vor unserer Tür sein werden. Auf der anderen Seite wächst sukuma in Säcken, sodass es einfach ist, diese Art Spinat zu gießen und zu ernten und die Hühner nicht so einfach drankommen. Außerdem haben wir ein paar Papaya- und Kürbissamen verstreut und hinter dem Haus versuchen Erdbeeren und eine Passionsfrucht ohne viel Zuwendung (zugegebenermaßen) zu sprießen.

Hin und wieder regnet es heftig gegen Abend, wir hatten aber auch ein, zwei wolkige Tage, die sich besonders gut eignen, um länger auf dem Feld zu bleiben. Vor kurzem hat es daumennagelgroße Eisbrocken gehagelt; das war dann schon ein bisschen schmerzhaft für die Ohren unter dem Blechdach.

Letztes Wochenende haben wir Familie Sind besucht. Esther Sind ist Grundschullehrerin, und wir haben ein paar Stifte verteilt, die Yaron, der Freiwillige aus den USA, im Mai hiergelassen hatte. Getuschel, Gezischel, Geschrei. Esther sagte, und damit hat sie wohl Recht: „Chaos! Wherever you wazungu (white people) go, your presence is causing chaos!“ Die ganz Kleinen haben sich sogar Pseudo-Gründe ausgedacht, um ins Lehrerzimmer zu kommen, um einen Blick auf den mzungu zu werfen.
Mr Sind ist ein Mitglied des Komitees für die beiden Projekte und er erzählte uns, dass das Geld der Harambee für die Holzkonstruktion des Klinikdaches bestimmt ist und die Arbeit bereits angefangen hat. Ein Politiker hat versprochen, die iron sheets zu spenden, wenn die Konstruktion fertig ist. Wir stellten auch einen Ein-Jahres-Plan für beide Projekte zusammen; vor allem, weil Yaron danach gefragt hatte, um in den USA Spenden zu sammeln, aber die Pläne geben auch eine gute Auskunft darüber, was noch getan werden muss und welche Pläne in Zukunft in Angriff genommen werden können. (Ich werde sie hier auch noch veröffentlichen.)
Natürlich haben wir auch seine Mutter besucht, eine alte Dame, die seit vermutlich zwanzig Jahren die selbe Mütze aufhat (zumindest habe ich sie noch nie ohne gesehen), und uns Familiengeschichten von vor noch längerer Zeit erzählte. Und noch eine alte Frau haben wir besucht: Mary Deru, der ich letztes Mal ein bisschen auf dem Feld geholfen habe. Bestimmt hundert Jahre alt, sitzt sie auf ihrem Hocker, die vielen Falten werfen silberne Schatten auf ihre schwarze Haut, und sie schaut aus der Türe den Kindern, die sie gern besuchen, beim Spielen zu. Sie sagt „Schafe ertrinken, Flugzeuge stürzen ab, Bomben explodieren, und ich frage Gott: Warum nicht ich?“. Sie vermutet, dass Gott will, dass das Dach ihrer Kirche fertiggestellt wird, erst dann wird er sie sterben lassen. Sie kann kaum laufen, und wenn sie morgens vom Feld zurückkommt, dass sie bestellt, damit sie nicht auf andere angewiesen ist, würde sie gerne Tee trinken oder frühstücken, aber schon um ein Feuer anzumachen muss sie erst ein bisschen dösen, um Energie zu sammeln. Sie erinnert sich an mich, und sie erinnert sich an Zeiten, da sie Eier für zwei Cent das Stück kaufte, gute zwanzig Kilometer zu Fuß zum Markt lief, die Eier für drei Cent verkaufte und dann wieder nach Hause ging. (Heute kosten die Eier acht oder zehn Shilling das Stück, und das sind derzeit umgerechnet etwa sechs Eurocent.)

Gestern haben wir das Projekt von zwei Franzosen und einem Italiener besucht, die auf einem ziemlich großen Stück Land Gemüse anbauen und es in größeren Städten verkaufen (Hier weiß kaum jemand, was er mit Paprika oder Aubergine anfangen sollte). Ihr Ziel ist es, eine Kooperative zu gründen, in der verschiedene Leute cashcrops für sie anbauen, die sie dann verkaufen. Die Leute waren nett und es war interessant, die Farm zu sehen. Allerdings schreckten uns „Ökos“ die Mengen von Dünger und Pestiziden ab, und die Tatsache, dass sie die Leute von der Subsistenzwirtschaft wegbringen wollen – wo gerade in der aktuellen Situation des Kenya Shillings (Inflation!!) Essen viel mehr wert ist zu haben als Geld…

Es ließe sich noch einiges anfügen: Lucys Rückenschmerzen und ihre Fahrt ins Krankenhaus, Dollys tapfere Miene beim Impfen heute, unser geplanter Uni-Ausflug nach Narok am Sonntag, Antonys Seminar in Nairobi und unsere couchsurfing-Ambitionen in der Hauptstadt… Aber davon vielleicht ein andermal. Jetzt werde ich erstmal ein paar Paprika und Auberginen schnippeln, die wir gestern geschenkt bekommen haben, um Lucy zu zeigen, wie man solches Gemüse zum Beispiel in einem Omelette verbraten kann. Eine allseits beliebte Delikatesse hier auf dem compound sind übrigens Spaghetti à la Laura geworden, ich komme also nicht drumrum, auch das nochmal zu kochen.

Soweit mal alles Liebe aus dem heißen Kenia, wo der Wind in den Bananenblättern und die ersten Wolken am Horizont einen kühlenden Regenschauer gegen Abend versprechen.

Mittwoch, 7. September 2011

Safari - Ein Reisebericht


Liebe Leser!
Zunächst mal an alle, denen ich eine Postkarte versprochen habe: Wartet nicht drauf… Es gibt hier nicht wirklich Postkarten und dort, wo es welche gibt, komme ich so selten hin, dass ich, wenn ich dort bin, vergesse, welche zu kaufen. Verzeihung!

Ich habe mich ja eine ganze Weile nicht mehr gemeldet. Wir waren nämlich ein bisschen unterwegs. Zunächst mal musste das ganze Haus ausgeräumt werden (immer wieder erstaunlich, wie viel ZEUG man besitzen kann!), denn der Boden sollte zementiert werden. Das macht es wesentlich angenehmer zu fegen, aber vor allem schützt es vor Termiten, dem wahrscheinlich größten Feind des Menschen hier. Diese Viecher fressen einfach alles: ganze Bäume und Häuser verschwinden in kurzer Zeit, wenn man sich nicht drum kümmert. Deswegen also der Zementboden, dann kommen sie wenigstens nicht mehr da durch. Wir haben hier selbst einen riesigen Termitenhügel auf dem compound, aber der darf bleiben, denn die Termiten, die da drin wohnen, fressen irgendwo, teilweise kilometerweit entfernt, alles auf. Die, die bei uns Plastiksäcke, Wände aus Bananenblättern und Türen annagen, kommen genauso weit her.
Die fundis haben sich wirklich ins Zeug gelegt, und weil der Zement gereicht hat, haben sie auch noch eine kleine Veranda an die vordere Hauswand gemacht. Jetzt ist unser Boden spiegelglatt – und das Beste: Wir können DRINNEN duschen!! Kein Wasserschleppen mehr zur Dusche oben am Weg, die gleichzeitig auch das Klo ist. Totaler Luxus! Wir müssen nur noch die Wände mit Lack streichen, aber wir haben die Dusche natürlich auch schon mit den blanken Zementwänden eingeweiht. J

Damit der Zement ordentlich trocknen konnte, haben wir unsere safari (Kiswahili für „Reise“) dann so geplant, dass wir eine ganze Woche weg waren. Wer mit dem Finger auf der Karte mitreisen will: dies war unsere Route:

- Anyiko (Ugunja) – Luanda: Weiter haben wir es wegen Regen und einbrechender Dunkelheit am ersten Tag schon gar nicht geschafft. Wenn es dunkel wird, bleibt man besser in Luanda, denn nach sieben unterwegs zu sein empfiehlt sich nicht in der Gegend. Und wenn wir weitergefahren wären, hätten wir Jethron nicht getroffen, einen sehr guten Freund und volunteer, der da am nächsten Morgen auf der Straße in Luanda auf ein paar andere volunteers wartete und strahlte wie ein Honigkuchenpferd, als wir uns trafen. Ich hatte nicht damit gerechnet, ihn überhaupt zu treffen, während ich hier bin. Die Welt ist doch wirklich klein! Aber wir hatten noch einen ziemlichen Weg vor uns an dem Tag:

- Luanda – (Maseno) Kima: In Kima haben wir Jesse besucht, der mit Jethron eine kleine Organisation gegründet hat (Kipepeo) und der eine Art Mentor für meine beiden „Patenkinder“ Apiyo und Mughwana ist, die wir auch noch besucht haben.

- Kima – Ebitsi: Vor der Endstation dieses Tages machten wir noch einen Zwischenstopp in Ebitsi, wo Antony vor ein paar Monaten ein work camp in einer Schule geleitet hat. Wir saßen im Büro des Direktors und haben im Namen einer französischen Freiwilligen, die an dem work camp teilgenommen hatte, die Schulgebühren für Nixon bezahlt und ein paar Geschenke von ihr überreicht.

 - Ebitsi– (Khayega) Shinyalu: Und dann ging es endlich nach Shinyalu, in die ehemaligen Takatifu Gardens, jetzt Little Prince Academy. Ich war dort oft zu Besuch, als ich 2009 im Regenwald arbeitete, und habe 2010 dort für eine Woche in dem grandiosen Garten mit Selbstversorgerambitionen mitgeholfen, und in dem Schulprojekt, in dem wir jeden Tag mit speziellen Karten und Büchern Englisch unterrichteten. Nun sind, bis auf Joe aus den USA und Simon aus England alle wazungu der Gründergemeinschaft ausgezogen und unser guter Freund Collins, den ich damals im Regenwald kennenlernte, hat die Anlage übernommen, um darin in Zusammenarbeit mit einem deutschen Verein ein Waisenhaus einzurichten. Noch sind die Finanzen nicht alle geregelt, aber Collins und sein Freund Lewis bereiten dort alles vor und halten den Ort in Schuss. Wir haben erstmal Collins eigentliches Zuhause besucht, Mittagessen bei seinen lustigen Omas bekommen und dann Dolly kennengelernt, ein goldblondes Hundemädchen. Sie ist eine Schwester von Nora, und Nora wurde vor zweieinhalb Jahren bei meiner Gastfamilie geboren, zusammen mit zehn Geschwistern, von denen, nachdem ich mich nicht mehr um sie kümmern konnte, alle starben, außer Nora, die ich Collins geschenkt hatte. Um sich zu revanchieren, und weil wir für den neuen compound und unser Haus noch Security-Personal suchten, schenkte Collins uns nun Dolly, bugsierte sie kurzerhand in einen Rucksack und ich trug sie darin zurück nach Shinyalu. Dort kümmerten wir uns ein bisschen um den Garten und wuschen Moskitonetze und Vorhänge, ich habe ein Brot gebacken, weil Collins Geburtstag hatte und dann waren fünf Tage auch schon wieder um und wir setzten unsere Reise fort – diesmal zu dritt, mit Dolly in einer Umhängetasche.

- Shinyalu (Kakamega) – Chekalini: Auf halbem Weg nach Eldoret besuchten wir einen weiteren work camp Ort, wo vor allem Antony unter Gesängen, Tänzen und Jubel begrüßt wurde. Es war ein ziemlich erfolgreiches camp und ich musste Fotos vom neuen Klassenzimmer und vom Mais machen, den die Freiwilligen gepflanzt hatten. Es gab einen riesen Berg Ugali zum Mittagessen, ein paar motivierende Ratschläge, das Projekt nicht einschlafen zu lassen, die Zusage für ein weiteres camp und für uns einen Sack voll Bohnen und Mais – noch mehr zu schleppen. Zwei Motorräder brachten uns inkl. Gepäck, Dolly und ein Sack Bohnen von der kleinen Schule und Kirche zurück zur großen Straße, wo wir schließlich endlich das Matatu nach Eldoret nahmen.

 - Chekalini – Eldoret: Eldoret erreichten wir im strömenden Regen und nisteten uns erstmal in einem kleinen Hotel ein. Am nächsten Tag fuhren wir eine Stunde Matatu und besuchten die Uni. Wir trafen Lino, einen Schulkameraden von Antony und Felix, Antonys Bruder, der in Eldoret im Gefängnis arbeitet. Wir liefen über den Markt und besorgten ein paarDinge für zu Hause in einem absurd großen Supermarkt. Nach zwei Tagen traten wir die Rückreise an.

- Eldoret – Ugunja (Anyiko): Eldoret – Ugunja direct, das stellt man sich als angenehme Reise ohne Umsteigen vor, aber noch bevor wir überhaupt im Matatu saßen (das natürlich um elf statt um zehn kam und dann noch eine Stunde Passagiere einsammelte),wurde es mir schon zu viel, weil Dolly, die in einer Tasche vor meinem Bauch hing, einige Aufmerksamkeit auf sich zog. Leicht angetrunkene Jungs, die sich vom Herumlungern am großen Verkehrsknotenpunkt ein Tageseinkommen versprechen, standen plötzlich zu zehnt um mich rum und  bequatschten mich. Als sie dann von irgendwoher einen anderen Welpen anschleppten und ihn mir aufdrehen wollten, wurde es zu viel und wir flohen in einen Handyladen bis das Matatu kam. Aber auch im Matatu wurde es nicht wirklich besser. Vollgestopft mit Leuten und rücksichtslosen conductern, war es nicht wirklich ein bequemes Reisemittel. Schließlich hat sich Dolly dann zu Hause erstmal bei den Küken bedient – eins musste dran glauben. Ich konnte es ihr „abnehmen“ und begraben, aber damit hatte ich nun wirklich den Tiefpunkt meiner Zeit hier erreicht. Allerdings fiel mir auf, dass genau die Hälfte meiner Zeit hier  um war, und die gleiche Hälfte blieb bis zum Rückflug.
Am nächsten Tag, Sonntag, ging ich in die Kirche, deren Lieder ich so mag. Gegen Nachmittag kam Daniel, von mir nur Uncle Greenhouse genannt, denn er hat trotz vieler Spötter neben seinem Haus ein Gewächshaus gebaut. Der erste Versuch mit Tomaten war gescheitert, aber als wir ihm von unseren biologischen Erfahrungen in Schweden erzählten, war er Feuer und Flamme uns zu besuchen, damit wir ihm mehr erzählen konnten. Das haben wir getan und es war wirklich gut, jemandem gegenüberzusitzen, der mich als Weiße nicht als wandelnden Geldbeutel betrachtet, sondern vielmehr an einem Austausch von Ideen interessiert ist.

Aber nicht nur theoretisch, auch praktisch beteilige ich mich weiterhin in der Landwirtschaft. Die Erdnüsse wachsen und müssen demächst gejätet werden, Nepia-Gras für die Kuh, die Lucy sich anschaffen will, ist gepflanzt, Süßkartoffeln in ihre Terassen gesetzt, und wir haben heute angefangen, eine neue shamba umzugraben, auf der wir Mais und Bohnen pflanzen wollen. Nach einigen heißen, trockenen Tagen, fällt heute der Regen seit etwa fünf Uhr mehr oder weniger kontinuierlich.

Übrigens hatte ich Typhus, vermutlich damals in Kisumu in einem Resaturant aufgeschnappt, oder aber beim Kochen rohe Paprika genascht. Wir haben es frühzeitig festgestellt, lustigerweise habe ich dadurch endlich mal die nächstgelegene Klinik kennengelernt. Es war wirklich ein ziemlich langer Weg bis dorthin. Also macht das Klinikprojekt auf jeden Fall Sinn! Jetzt, nach zwei Päckchen Antibiotika, geht’s mir wieder blendend.

Gestern waren wir in Ugunja, es war market day und wir haben ein paar schöne Stoffe, Farbe für die Dusche und Nägel für Dollys Haus erstanden und außerdem ein paar Zutaten für Spaghetti mit Tomatensoße, die ich heute für ale gekocht habe und die besonders gut ankamen mit dem Käse (Käse in Kenia!!!), den wir in der Eldoret cheese factory gekauft hatten.

KAZI ENDELEE! WORK CONTINUES! sagt man hier. Morgen wollen wir ganz früh wieder aufs Feld, weil der Boden doch recht hart umzugraben ist, und je früher, desto kühler, und desto mehr kann man bis elf oder zwölf schaffen. Außerdem stehen noch einige Besuche an und auch um die Projekte muss ich mich wieder kümmern. Ich werde das Komitee fragen, welche Pläne es mit dem gespendeten Geld hat und dann gilt es, für ein Dach zu sorgen, denn noch eine Regenzeit machen die bis jetzt ungeschützten Ziegel der Klinik nicht mit. Einige sind jetzt schon am zerbröseln. Der Freiwillige aus den USA, der im Frühjahr hier war, möchte einen Ein-Jahres-Plan der Projekte haben, damit er verschiedene Organisationen um Spenden bitten kann, darum werden wir uns auch kümmern müssen.

Viel Arbeit also, viele Eindrücke und Erkenntnisse, und hin und wieder kauft Charles Lala Omamo, von allen nur respektvoll Old Man genannt, sonntags die Nation, die Zeitung, und liest sie, und Dienstags oder Mitwoch kriegen wir sie dann, bevor sie als Klopapier und Feueranzünder verwendet wird. Und ich verfolge, wie sich die „Ocampo Six“, nach denen die letzte Hungerwelle hier benannt wurde, die sechs Angeklagten vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag winden und sich aus der Verantwortung ziehen wollen, weil ihnen vorgeworfen wird, für die Post Election Violence 2007/2008 vernatwortlich zu sein. Kriegt ihr davon etwas mit? Ich bin in einem Land, dessen hohe Tiere vor dem ICC Rechenschaft abgeben müssen (und dessen Lehrer übrigens streiken und alle Schüler weiterhin auf dem Feld helfen können), und es ist höchst interessant, die Reaktionen der Durchschnittskenianer zu beobachten.

Jetzt ist aber auch mal wieder Schluss, morgen geht’s wie gesagt früh raus. Ich melde mich demnächst mal wieder. (Alle Omas und sonstige Besorgte: Seid versichert, dass es mir sehr gut geht! Das Leben hier ist auf eine andere Weise ganz normal.)