Dienstag, 16. August 2011

Kisumu und andere Begebenheiten


Liebe Leser!
Gestern habe ich zweimal den Aequator ueberquert. Fuer einen halben Tag befand ich mich in der suedlichen Hemisphaere, wir sind naemlich nach Kisumu gefahren. Da war es wie immer ziemlich heiss, wegen des Lake Victoria. Obwohl ich gerade in Kenia kein wirklicher Stadtmensch bin, laest sich so ein Tag in Kisumu doch ganz gut aushalten. Wir haben einiges eingekauft und uns ueber Solarlampen informiert. Gegen Nachmittag waren dann auch mehr Leute auf der Starsse aber es ist bei weitem nicht so stressing wie in Nairobi.
Ansonsten sind meine kenianischen Ferien sehr arbeitsintensiv, was mir gut gefaellt. Wir stehen immer spaetestens um sieben auf, dann gibts was Kleines zum Fruehstueck und allerspaetestens um acht sind wir unterwegs zu einem der vielen kleinen Felder, die die Omamos besitzen. Auf Kiswahili heissen die shamba. Gerade komme ich zum Beispiel von einer shamba, die einen guten Fussweg entfernt ist und die wir heute mit Paul und Lucy fast komplett mit der jembe (Multifunktionshacke) umgegraben haben. Das geht ganz schoen in den Ruecken, aber irgendwie macht es Spass. Stanedig kommen Leute vorbei und gruessen einen. Eine andere shamba haben wir besonders ausgiebig vorbereitet, den darin haben wir Erdnuesse gepflanzt. Mais und Hirse sind jetzt komplett geerntet und trocknen draussen, wenn es nicht gerade regnet, dann muss man die Koerner noch abpfrimeln bzw. Dreschen usw. Und waehrenddessen gehts schon wieder weiter mit den Vorbreitungen fuer die naechste Saison.
Inzwischen sind wir auch dabei, das Verputzen unseres Hauses zu organisieren. Sand, spezielle Erde und grosse Steine sind schon geliefert worden, jetzt brauchen wir noch Zement und ein paar fundis, die das dann machen. Zur Zeit ist der Fussboden einfach festgetretene Erde, nichts Aussergewoehnliches, den das ist bei den moisten Leuten so. Allerdings gibts hier viele Termiten und wir haben nicht fuer alle Betten, Tische, Sofas und Stuehle Plastikbecher, in die wir die Fuesse stellen koennen, damit die Termiten die Moebel in Ruhe lassen. Ausserdem wird nicht immer jemand hier wohnen, weil Antony oft in work camps ist, und da ist die sicherste Methode ein Zementboden. Der wird auch einfacher zu fegen sein. Beim letzten Hausputz hab ich die lose Erde mit der Schaufel aus dem Haus getragen…
Heute hab ich wieder ein paar Blasen an den Haenden dazubekommen, aber das ist gar nicht so schlecht, den wo sie verheilen, wird die Haut hart. Ich gewoehne mich an die Arbeit, schliesslich esse ich hier ja auch taeglich, da will ich auch bei der Nahrungsmittelproduktion helfen. Nichtsdestotrotz sind die Wochen fuer mich hier wie Ferien. Ich weiss, dass ich Anfang Oktober wieder in meiner Leipziger Wohnung sein werde, wo ich im Bioladen um die Ecke mein Essen kaufen werde. Vielleicht faellt mir das Leben und die Arbeit hier deshalb so leicht, weil fuer mich die ueberlebenswichtige Dimension dieser Arbeit nicht so present ist wie fuer den Rest der Familie? Wenn ich mir mal wieder zu viele Gedanken mache – und dazu eignet sich ein Regentag und ein Sack voller Bohnen, aus dem man Steine und anderen Kram sortieren muss, hervorragend – dann hole ich mich selbst ins Jetzt zurueck, indem ich einfach zuhoere. Und man kann wirklich nicht sagen, dass Kenia ein stilles Land ist. Auf der anderen Seite vom River Nzoiya laeuft seit letztem Wochenende ein crusade, wo sie die ganze Zeit Predigten bruellen. Ein entfernter Nachbar ist vor ein paar Tagen verstorben, deswegen spielen sie da die ganze Nacht durch die froehlichste Tanzmusik in voller Lautstaerke. Und die Schule/Kirche um die Ecke laesst es sich nicht nehmen, morgens auch noch seinen Teil zu dieser Kakophonie beizusteuern. Jetzt gerade, in diesem Moment, wo ich das schreibe, sind alle Lautsprecher verstummt. Der Wind raschelt im trockenen Mais, man hoert die Vormittagsvoegel (denn jede Tageszeit hat ihre Vogelstimmen), irgendwo kraeht ein Hahn und eine Kuh muht. Wochentags hoere ich gerne dem Musikunterricht in einer Schule in der Naehe zu, in dem die Kinder etwa ab vier oder fuenf mindestens eine geschlagene Stunde ein Lied nach dem anderen bruellen. Auch unsere Huehner gackern hin und wieder, und die Kueken quitschen vor sich hin. (Neulich ist das weisse mzungu-Kueken, das natuerlich Laura heist, in das Frisch gegrabene Kompostloch hinter unserem Haus gefallen und ich muste es retten.) Morgens sind auch andere Leute in ihrer shamba, und ueberall hoert man die jembe in die Erde fahren. Und hin und wieder schallt die verrueckte Hupe eines MAtatus von der grossen Strasse herueber. Und dann bin ich wieder in Kenia mit meinen Gedanken, woe s mir so gut gefaellt und wo ich versuche, das schwere Leben hinter der Idylle und den noch nie anders gewesenen Alltag in all der harten Arbeit zu sehen und nichts davon zu vernachlaessigen und nichts davon zu vermischen – oder wuerde das vielleicht helfen?
Ich schreibe bald wieder, denn heute findet die Harambee fuer die Klinik statt und davon will ich natuerlich gesondert Bericht erstatten.
Soweit viele Gruesse aus Kenia. (geschrieben am Samstag, 13. August, bei einer Tasse deutschen Cappucchino.)

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