Freitag, 12. Juni 2009

Vom Nassen ins Trockene

Es gibt, wie dem Durchschnittsdeutschen zumindest durch das Medium Fernsehen bekannt sein dürfte, die Stadt Erfurt. Es gibt aber auch Nassenerfurt und dementsprechend dann auch Trockenerfurt. In Hessen. Jawoll. Und da musste ich heute durch. So langsam wirds auch trockener - furt. :) Nachdem ich bei Jan in Griesheim eine schöne kurze Nacht verbracht hatte (Er musste am nächsten Morgen in die Uni und hat mich um sechs geweckt.), habe ich erstmal noch in Ruhe frühstücken dürfen, nachdem er schon die Wohnung verlassen hatte. Abenteuerliche Aktion beim Verlassen des Hauses: Drücke innen im Haus den Summer, der das Tor öffnet und dir bleiben genau fünf Sekunden Zeit, dann hört's auf zu summen und das Tor ist wieder verschlossen. Dreimal bin ich ums Eck gesprintet, und beim vierten Mal hab ich es rechtzeitig ans Tor geschafft, sodass ich schließlich den Hof verlassen konnte. Die Bauarbeiter in der Straße haben sich köstlich amüsiert...









Nächste Hürden: Frankfurt (siehe Bild - gar nicht so leicht, da wieder rauszukommen!), Wolken, Regen, Platten.

Wie man einen platten Fahrradschlauch wechselt:
Man fahre zunächst mal singend weiter durch den Wald, ohne etwas zu bemerken. Irgendwann falle einem dann dieses merkwürdige Hoppeln des Vorderreifens auf und mit einem lautstarken "Hoppla!" halte man an. Man hole tief Luft und denke "Wie war das jetzt nochmal?". Man baue alles Gepäck vom Fahrrad ab und nehme das Vorderrad aus der Halterung. Man wühle nach der Stofftasche mit dem Werkzeug. Hat man diese gefunden, versuche man etwa eine Viertelstunde erfolglos, den Mantel des Vorderreifens zu entfernen, nachdem man bereits unglaublich stolz über die Tatsache ist, dass man das Ventil alleine und selbstständig gefunden UND aufgeschraubt hat.
Es erscheine ein freundlicher Radfahrer, dem man auf seine Frage hin "Kann man Ihnen was helfen?" den Rest des Schlauchwechsels überlasse. Man führe eine freundliche Unterhaltung und kommentiere dankbar seine kennerische Hilfe. Man lade alles wieder auf und fahre fröhlich weiter.
Der zerlöcherte Schlauch ist in einem Hotelzimmer Ihrer Wahl zu flicken.


Ich musste nämlich am Dienstag tatsächlich ein Hotelzimmer nehmen, die schwarzen Wolken hingen definitiv zu tief zum Zelten. Ich habe also dem netten Herrn an der Hotelrezeption in Karben charmant meine "Fahrradtour, guter Zweck, 1000 Kilometer, blablabla" - Ansage vorgeleiert und er war unglaublich freundlich und hat mir für weniger als die Hälfte des eigentlichen Preises ein Zimmer mit Frühstück bereitgestellt. Dankesehr!!

Es ging weiter nach Grünberg. BERG! Wie ich diesen Teil in Ortsnamen fürchte! Es war wieder kühl, windig, regnerisch. Abends fand ich Unterschlupf in einem leerstehenden Gehöft, oben auf dem Berg, wo einer der beiden einzigen Deutschen mit dem Namen Reginar (ja, wie Regina, nur mit R am Schluss und Betonung auf der letzten Silbe) mir einen geschützten Platz unter einem Unterstand zur Verfügung stellte und mir bei Aldi noch Studentenfutter kaufen fuhr.

Der nächste Morgen, die nächsten Wolken, die nächsten Schauer. Die Straßen leer, die Dörfer ausgestorben. Feiertag. Die Leute sitzen in ihren warmen Häusern, kochen Tee, essen Kuchen, lesen, sehen fern, spielen Brettspiele. Zumindest in meiner Vorstellung. Und ich habe kalte Füße. Wird denn dieser Juni nie ein bisschen wärmer? Ich mache Pause in einer Bushaltestelle, aber selbst da fegt der Wind durch. Dann noch lieber radeln (viel bergauf und -ab übrigens), da wird's einem wenigstens warm. Ich komme recht früh in Treysa an und beschließe, noch ein wenig weiterzufahren. Bis nach Allendorf schaffe ich es noch, wo ich am Ortseingang nach einer Übernachtungsmöglichkeit frage. "Fahren Sie doch einfach auf dem Fußballplatz, da hat bestimmt niemand was dagegen." Aha. Ganz sicher? Todsicher: Später kommt der Fußballvereinsvorstand sogar persönlich vorbei, schließt mir die Kabine auf und ich baue mein Zelt drinnen auf, habe sogar Klo und Dusche nebenan. (Die Dusche habe ich allerdings nicht benutzt, da kam nur kaltes Wasser raus und davon hatte ich eigentlich schon genug von oben gehabt!)
Abends kommt mir dann eine Idee: Vielleicht kann ich es schaffen, nach Guxhagen, der eigentlich vorgesehenen Station des nächsten Tages, noch nach Kassel weiterzufahren und dort bei Rene unterzukommen, den ich am Tag darauf eh auf nen Kaffee besucht hätte, der mir aber im Voraus schon einen Schlafplatz angeboten hatte.

Also um sechs Uhr aufstehen und, nachdem alles zusammengepackt und gefrühstückt ist, kurz nach sieben lostreten, um das alles auch jaaa zu schaffen. Die Strecke ist weiter hügelig, führt nun nicht mehr so sehr durch Landwirtschaft, sondern eher durch Kohleabbaugebiete, es ist weiterhin kühl und windig, aber die Sonne scheint sich so langsam durchzusetzen. Als es noch 26km nach Kassel sind, zeigt meine Uhr gerade etwas um elf herum an. Ich, sehr erstaunt, bemerke nicht, dass sich mein Rad zunehmend schwerer treten lässt. Kein Wunder: Der nächste Plattfuß, diesmal hinten. Kurz vor Kassel ist mir das aber schon egal, ich weiß, ich bin gleich da, folge der Fulda und schiebe das Rad durch Kassels Innenstadt (die übrigens genauso aussieht wie jede beliebige andere deutsche Einkaufsmeile auch), weil Rene noch in der Uni ist. In der Markthalle stocke ich mein Reiseproviant auf, auf dem "Kö" esse ich ein Schokoeis und treffe dann Rene, voll im Stress und gleich schon wieder beschäftigt, mit einer Kollegin irgendwelche Sachen zu organisieren. Kein Problem, da habe ich Zeit zu duschen und Tagebuch zu schreiben. Ich bin auf jeden Fall froh, mal ein wirklich warmes Bett zu haben. Ehrlich gesagt fehlt mir nicht einmal so sehr die Gesellschaft von anderen Leuten. Das, was mir am meisten fehlt, wäre sommerliche Wärme, die ja bis jetzt auf sich warten ließ, aber ich glaube fest daran: Sie kommt!

Meiner Rennriette (ja, ich habe meinem Drahtesel einen albernen Namen gegeben und ja, ich unterhalte mich auch manchmal mit ihm - äh, ihr, ist ja schließlich ein Damenfahrrad) geht es so mittelmäßig. Meistens sind wir unterschiedlicher Meinung und ich muss die Zügel (sprich die Gangschaltung) immer etwas fester anziehen, bevor sie mal SCHALTET, aber zumindest bergauf und im Gegenwind halten wir doch fest zusammen. Sie trägt bereitwillig mein Gepäck und nimmt jeden Huckel und jede Pfütze freudig mit. Seit dem veterinären Eingriff humpelt sie ein wenig auf dem Vorderrad und seit heute lahmt ja auch der Hinterhuf, aber ich nehme an, das kriegen wir wieder in den Griff.

Was mich besonders ermutigt, ist die Unterstützung, die ich von so vielen unterschiedlichen Leuten bekomme. Ich muss nun gleich mal noch den Spendenstand erheblich nach oben korrigieren und werde morgen nochmal einen Kontoauszug holen. Vielen lieben Dank für all die geistigen und materiellen Mutmacher, danke an die Spender und alle Weggefährten und an alle, die mir Unterschlupf gewähren. Und an all die Lieben zu Hause, die kräftig die Werbetrommel rühren oder auch einfach nur an mich denken.

1 Kommentar:

  1. Hallo Laura,
    ja Dank Staphanie Haiber von SWR3, der ich ein mail ins Studio schrieb und die mich gleich darauf angerufen hat, ist Dein blog auf der SWR3-Seite verlinkt. Schön, dass Du auf Deiner Tour so viele nette Leute und Freunde kennen lernst. Auch hilfsbereite Menschen, die Dir "Unterschlupf" gewähren. Diese Bereitschaft bestätigt auch einen Bericht, der heute in der Günzburger Zeitung steht. "Gemeinsam geht's besser". Hier wird beschrieben, dass die Deutschen wieder die Familie und Freunde neu entdecken und die Zeit der "Ich-linge" vorbei ist. Dass nur Dein Fahrradkorb bei Deinem Sturz gelitten hat, ist erfreulich. Übrigens, sollte dieser sehr verknittert sein, die Bauern, bei denen Du übernachten kannst sind immer handwerklich begabt. Die können das Teil wieder zurechtbiegen und manchmal sogar schweißen.
    Lieber Schatz, weiterhin gute Fahrt, nette Leute und gute Gespräche.
    Papa

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